04.04.2019
Starke Werte

Hachiko schaffte es bis nach Hollywood: in der Verfilmung mit Richard Gere („Hachi: A Dog´s Tale“) wurde das Leben des treuen japanischen Akita-Hundes weltweit berühmt. Er hatte jeden Abend am Bahnhof auf sein Herrchen gewartet, auch lange nach dessen Tod. In Japan gilt dieser Hund als Symbol der Treue und ihm zu Ehren wurde ein Denkmal am Shibuya-Bahnhof in Tokyo errichtet. Dieser treue Hund ist nur ein Beispiel für viele Werte, die in Japan die Kultur prägen. Dazu gehören: dem anderen Raum zugestehen. Respektvoll ausreden lassen. Zuhören. Risiken vermeiden. Perfektion anstreben.

Bei meinem letzten Besuch in Japan war ich wieder einmal von den Menschen in diesem Land fasziniert. Ich hatte mein Mobiltelefon im Taxi liegen lassen. Den Verlust hatte ich erst nach Stunden bemerkt. Mein japanischer Begleiter rief darauf hin völlig unaufgeregt beim Taxi-Unternehmen an. Wir hatten noch Zeit für ein Bier, dann war der Taxi-Fahrer da. Mit meinem Handy. Für meinen Begleiter schien dies die normalste Sache der Welt zu sein. Ja, in der japanischen Kultur sind starke Werte verankert.

Werden uns klassische Wertesysteme zum Verhängnis?

In Deutschland überbieten sich Fach-Zeitungen derzeit in Ihren Überschriften mit Transformation-Buzzwords: Agilität, Achtsamkeit, Digitalisierung, und natürlich: VUCA! Leider kann ich kein Japanisch und weiß folglich ich nicht, was dort in den Zeitungen steht. Aber in meinen Diskussionen mit Top-Managern vor Ort vielen diese Transformations-Worthülsen nicht ein einziges Mal. Verpassen die Japaner die bereits laufende Veränderung? Wird der Wunsch nach Prozess-Perfektion japanischen Unternehmen auf dem Weg zur digitalen Gesellschaft ein Bein stellen? Während man in China bereits Bettler mit dem Mobiltelefon bezahlen kann, musste ich in Japan Bargeld wechseln, um Bus-Tickets zu kaufen. Digitalisierung, wo bist du? Diejenigen von Ihnen, die mit japanischen Unternehmen bereits Geschäftsbeziehungen unterhalten, wissen vielleicht, wie mühsam es sein kann, dort Entscheidungen mit ein wenig Risiko beizubringen. Werden zukünftig Unternehmen ihre eigenen „klassischen“ Wertesysteme, bei denen Dinge wie Qualitätsbewussten und Risiko-Bewusstsein im Vordergrund stehen, zum Verhängnis? Kein Neuland ohne Risiko. Richtig?

Nachhaltige Wege oder Glücksrittertum?

Ein Gespräch mit einem Manager vor Ort zeigte mir eine andere Facette: unter den Eindrücken der Katastrophe von Fukoshima hatte sein Unternehmen ein neues Werk gebaut und sich dabei vorgenommen, den Stromverbrauch um 90% zu reduzieren. So ein Ziel muss man sich erst mal formulieren trauen! Das Ziel wurde mittels eines völlig neuartigen Energie-Konzepts und einigen architektonischen Finessen erreicht. Welche Veränderung! Es geht also doch. Unterschiedliche Mentalitäten gehen unterschiedlich mit dem Thema Veränderung um. Während die einen eher wie Glücksritter auf schnelle Umsetzung und Profite setzen, suchen andere nachhaltigere Wege. Ich möchte an dieser Stelle nicht werten, sondern eine neue Sichtweise zum Thema Innovationen öffnen: Wie entstehen Innovationen?

Probleme, Wissen und Kapital

Eine der größten Innovationen der Menschheitsgeschichte war sicherlich die Erfindung des Buchdrucks. Ausgangspunkt war ein Problem: Menschen hatten ein Bedürfnis nach Wissen, und die Mönche kamen mit dem Schreiben von Büchern dem Bedarf nicht mehr nach. Man fing an, mit hölzernen Matrizen zu drucken. Aber die verschlissen sehr schnell und wurden unbrauchbar. Hier kam der Mainzer Johannes Gutenberg auf den Plan. Er betrachtete das Problem mit seinen Augen. Und das waren die Augen eines Goldschmieds, der wusste, wie man Metall bearbeitet. Die Idee zu wiederverwendbaren Metall-Lettern war geboren. Diese Idee wurde ab 1450 umgesetzt und revolutionierte die Wissensverbreitung. Die große Herausforderung für Gutenberg war es, das nötige Kapital beizubringen. Innovationen entstehen, wo Probleme, Wissen, und Kapital zusammen kommen. Ist das wichtig?

Alte Welt und neue Technologien

Ja! Statt immer neue Buzzwords in die Welt zu tragen, sollten wir ab und zu mit etwas Gelassenheit einen Schritt zurück treten und uns fragen: welche Probleme lösen wir eigentlich, mit dem was hier erfunden wird. Und: welches Wissen brauchen wir dazu? Unsere Märkte werden nicht funktionieren, wenn alle nur noch Apps und Daten-Netzwerke entwickeln. Der spannende Teil bei der laufenden Veränderung ist doch zu erkennen, welches Wissen aus der vermeintlich alten Welt wir mit neuen Technologien verknüpfen müssen, um neues Wissen zu schaffen. Dieses gilt es dann anzuwenden. Wir werden in vielen Bereichen das bisherige Wissen noch vertiefen müssen, noch besser verstehen müssen, wie die Wirkzusammenhänge funktionieren. Nur so lassen sich die Möglichkeiten, welche die neuen Technologien bieten, wirklich sinnvoll nutzen.

Mehr als gute Chancen

Diejenigen, die starke Werte zur Orientierung haben und bisher schon viel wissen, weil sie Sachverhalte und Technologien durchdrungen haben und nach Perfektion strebten, haben daher mehr als gute Chancen, den Wettbewerb um neues Wissen zu gewinnen. Voraussetzung ist dennoch die Bereitschaft neue Wege zu suchen, zu experimentieren und Risiken einzugehen.


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