Agil und dennoch erfolgreich?
Wie vermeintlich „alte“ Führungs-Werkzeuge helfen werden, dass moderne Arbeitsmethoden nicht in der Selbsthemmung enden
„Bist Du schon agil, oder führst Du noch?“. Fragen Sie sich das auch ab und zu? In einer Zeit des digitalen Wandels führt kein Weg an agilen Arbeitsweisen vorbei, richtig? Ganz egal ob Team Boards, Kanban oder Stand-Up Meeting: so was muss man einfach machen und fördern, wenn man ein moderner Chef sein will. Alle Teams sind dann hoch motiviert, definieren sich selbst die Richtung, liefern bei jedem Sprint tolle Ergebnisse, und uns Chefs bleibt dann eigentlich nur noch die Aufgabe, unsere Mitarbeiter zu coachen und das Geld zu zählen, das all die neuen Geschäftsmodelle produzieren werden. Wunderbare neue Welt. Ich freue mich richtig drauf, habe ich doch dann viel mehr Zeit für meine Life-Work-Balance. Schöner Traum.
Aber zurück in die Realität. Agile Arbeitsweisen sind nichts Neues. Unternehmen starten irgendwie immer agil, weil sie in einem Umfeld mit großer Unsicherheit unterwegs sind und sich daher vortasten müssen. Inkrementelle Vorgehensweise ist unabdingbar, weil es den großen Plan noch nicht gibt. Ausprobieren und in Bewegung bleiben. Immer wieder den Fortschritt überprüfen. Kleine Teams sitzen oder stehen zusammen und reden.Überlegen. Diskutieren. Eentwickeln neue Ideen und entscheiden: wer macht was bis nächsten Montag. Nun versuchen prozess-verliebte Unternehmen mit diesen Methoden der Start-Ups ihre hausgemachten Silos und Strukturen aufzubrechen.
Unzählige „agile Teams“ in allen möglichen Bereichen arbeiten funktionsübergreifend und beschleunigen Tanker wie Schnellboote? Glauben Sie wirklich, dass sowas gelingen kann? Ich glaube, man kann mit solch neuen Methoden einiges bewegen. Vorausgesetzt man berücksichtig ein paar vermeintlich altmodische Punkte. Allen voran: eine kraftvolle Strategie. Meine Prognose: Unternehmen die sich aufmachen in die agile Welt und Teams losschicken, ohne eine kraftvolle Strategie zu haben, an der sich die Teams ausrichten können, orientieren können, werden scheitern. Aber vielleicht auf dem Weg agil im Chaos gemeinsam sehr viel Spaß erleben.
Chefs, die nicht verstehen und hinterfragen, wo agile Methoden tatsächlich helfen, werden sich inmitten frustrierter Menschen finden. Teams werden nach unzähligen Workshops vielleicht herausfinden, dass sie Ihr Team gar nicht aus der bestehenden Organisation lösen können, weil es möglicherweise zu viele gegenseitige Abhängigkeiten gibt, die berücksichtigt werden müssen. Oder vielleicht merken Sie irgendwann, dass sie auf die Zuarbeit anderer Teams angewiesen sind, die sich wiederum nicht um sie scheren. Wertströme müssen von Anfang bis Ende durchgedacht werden. Auch in agilen Organisationen: Teams in Abhängigkeiten müssen untereinander koordiniert werden. Letztendlich zählt die Agilität des Unternehmens in seiner Gesamtheit, und nicht die Agilität eines einzelnen Teams. Ein einzelner zappeliger Fisch hilft wenig. Die Formation des gesamten Schwarms macht den Unterschied.
Vielleicht werden Teams aber auch nur ganz banal herausfinden, dass ihnen das Teamboard nicht hilft, weil schlichtweg zu viel Arbeit für zu wenige Leute da ist. Bunte, agile Karten hin oder her. Falls Sie sich gerade aufmachen in die agile Transformation ihres Unternehmens, dann möchte ich Ihnen gerne eine Frage mitgeben, die vielleicht einen wertvollen Denkimpuls produzieren kann: wieviel Führungskräfte haben Sie im Unternehmen, die Strategie machen können? Und ich meine hier nicht eine Umsatz-Wachstumskurve. Sondern die Beschreibung einer Richtung und eines Spielfelds, auf dem sich die agilen Teams tummeln und kreativ arbeiten können. Was wollen wir machen, was nicht. Warum ist diese Frage relevant?
Wenn wir es nicht schaffen, die Spielfelder, zu beschreiben, dann werden unsere agilen Teams in alle möglichen, verschiedenen Richtungen denken und sich entwickeln. Das muss kein Problem sein bei einem singulären Team. Es kann vielleicht sogar gewünscht sein. Wenn sich aber mehrere parallele Teams bewegen, ohne gegenseitige Koordination und ohne den klar beschriebenen Rahmen dessen, was zulässig ist, und was nicht, endet die Transformation früher oder später im Chaos. Ähnlich wie ein Kindergeburtstag, bei dem kein Rahmen und keine Limits gesetzt werden. Das kann Spaß machen, muss es aber nicht.
In diesem Sinne möchte ich Sie ermuntern: definieren Sie den Sandkasten und seine Grenzen, definieren Sie die gemeinsame Strategie, und machen Sie gegenseitige Abhängigkeiten transparent, bevor Sie agile Teams losschicken, um die Welt zu verbessern! Ihre Mitarbeiter werden dafür dankbar sein.