Nach dem Lockdown: Wie motiviert man Hühner zurück ins Hühnerhaus?
Bauern und Führungskräfte nach dem HomeOffice Lockdown teilen eine gemeinsame Herausforderung – Wie gehen sie damit um?
In den letzten Wochen und Monaten wurde in unterschiedlichsten Bereichen Unglaubliches geleistet: Fachkräfte haben die zu kollabieren drohende medizinische Versorgung am Laufen gehalten. Die Lebensmittelversorgung hat funktioniert aufgrund des unermüdlichen Einsatzes von LKW Fahrern, Verkaufsmitarbeitern, Landwirten und Erntehelfern. Eltern haben sich als Lehrer und Entertainer um ihre Sprösslinge gekümmert und sind parallel dazu noch ihrer eigentlichen Arbeit nachgegangen. Diese Pandemie hat gezeigt, wie komplex unsere Wirtschaftssysteme mittlerweile vernetzt sind, und daß es nur funktioniert, wenn viele Menschen ihre kleine Rolle in diesem großen System zuverlässig erfüllen. An dieser Stelle möchte ich am Beginn meines Blog-Beitrags all diesen Menschen einmal „Danke“ sagen. Was wir häufig als selbstverständlich erachten, ist nicht gottgegeben. In vielen Unternehmen wurden binnen Tagen hunderttausende Mitarbeiter ins „home-office“ geschickt und haben von dort ihre Unternehmen am Laufen gehalten. Sachbearbeiter wie Vorstände. Dass dies überhaupt so möglich war, dafür mussten viele klugen Köpfe in unseren IT Abteilungen unermüdlich arbeiten. Auch diesen meist unsichtbaren Kollegen sei an dieser Stelle einmal mal herzlich gedankt: ohne Euch hätten viele unserer Unternehmen schlichtweg nicht funktioniert!
Nun aber zum eigentlichen Thema. Was haben Hühner mit Führung zu tun? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Letzen Sonntag waren meine Frau und ich mit den Fahrrädern unterwegs und haben das schöne Wetter genossen. Bei einem Hühnerhof machten wir kurz halt, um am Automaten dort Eier zu kaufen. Wir trafen zufällig den Bauern, der sich gerade um seine Hühner kümmerte. Ein interessantes Gespräch folgte. Er erzählt: „Ich komme drei, manchmal vier mal am Tag hierher, um nach den Hühnern zu sehen. Abends um halb zehn komme ich zum letzten Mal, um sicher zu stellen, dass alle im Hühnerhaus sind. Ansonsten werden sie höchstwahrscheinlich über Nacht von Füchsen gerissen. Die meisten Hühner gehen, sobald es dunkel wird, selbstständig in den Stall. Aber es gibt immer ein paar, die brauchen eine Sonderbehandlung. Um die muss ich mich dann persönlich kümmern. Ich fange sie, und bring sie rein.“ Ich muss schmunzeln.
Ich höre ihm zu, und mir kommt der Gedanke, dass es mir als Manger ein wenig ähnlich geht in der anstehenden „Der-Home-Office-Lockdown-kommt-zu-Ende“-Phase. Unsere Mitarbeiter haben Unglaubliches geleistet in den letzten Wochen: sie haben aus ihren privaten Wohnzimmern und Esszimmern heraus einen Weltkonzern am Laufen und auf Kurs gehalten. Und ich merke aus vielen Gesprächen, dass diese Zeit bei unterschiedlichen Menschen und Kollegen unterschiedlich bewertet wird. Vielen geht es wie mir und sie wollen wieder zurück ins Büro, Kollegen wieder „physisch“ treffen. Ganggespräche führen. Emotionen in Gesichtern sehen, statt nur Telefonstimmen hören. Andere wiederum gefällt der Home-Office Ansatz super und meinen „Hier bin ich produktiver als im Büro“. Und wieder andere fliegen komplett unterm Radar und man fragt sich, was die denn eigentlich den ganzen langen Tag so machen.
Mir hat die letzte Zeit gezeigt, dass Home-Office viele Facetten haben kann. Wenn wir demnächst in die Büros zurück kehren, haben wir nicht nur eine völlig neue Situation auf Grund der Risiken, sondern auch aufgrund der unterschiedlichen Erfahrungen und geänderten Erwartungshaltungen von uns als Mitarbeiter und Chefs. Die Rückkehr ins Büroleben wird nicht einfach nach einem Plan, der Top-Down ausgerollt wird, funktionieren, sondern sie wird einiges an Fingerspitzengefühl im Umgang mit unseren Mitarbeitern erfordern. Persönliche Gespräche werden nötig sein, um die Gedanken zur individuellen Risikoeinschätzung zu verstehen. Während die einen sich sicher fühlen, wenn Abstandsregeln und Mund-Nase-Bedeckung entsprechend der Empfehlungen umgesetzt werden, wird es möglicherweise andere geben, die unter jedem Toilettensitz Corona- Vieren vermuten, die ihnen Böses wollen. Wir wissen Vieles über die Übertragungswege dieser Krankheit noch nicht. Daher wird es ein Balance-Akt werden, unsere Teams wieder zusammen zu bringen, der viel Kommunikation und Vertrauensbildung erfordern wird. Vertrauen, daß die Vorteile des wieder zusammen Kommens die Restrisiken überwiegen.
Die Welt in unseren Büros nach Corona wird sicherlich nicht die gleiche sein, wie die vor Corona. Unsere Mitarbeiter haben gezeigt, was aus Heimarbeitsplätzen heraus möglich ist. Ich muss gestehen, ich war positiv davon überrascht, wie gut unser Team die Situation gemeistert hat. Dennoch bin ich nach diesem monatelangen Feldversuch nicht davon überzeugt, daß „New Work“ tatsächlich so aussieht, dass jeder von uns irgendwo auf der Welt arbeiten kann. Und wenn man dann doch mal ins Büro kommt, sich irgendwo einen Schreibtisch sucht und halt da ist. Gerade mit den laufenden Diskussionen in Sachen Rückkehr ins Büro zeigt sich mir, daß der feste, persönliche Arbeitsraum im Büro einen hohen Wert für Mitarbeiter darstellt, der nicht zu unterschätzen ist. Das ist nicht nur ein Platz, auf den man seinen Computer stellt. Es ist auch ein Stück Anker, Sicherheit, Identifikation. Wenn dieses Element fällt, benötigen wir kluge Alternativen, genau diesen Anker, diese Sicherheit, diese Identifikation in unseren Büros zu generieren. Auch persönliche Interaktionen mit Menschen sind so wertvoll in Sachen Inspiration, Kreativität und Vertrauensbildung. Ich denke, viele von uns durften das in den letzen Wochen erfahren.
Nach diesen Monaten des Home-Office Lockdown werde ich jedenfalls hoch motiviert zurückzukehren ins Büro. Aber nicht um dort irgendwelchen Propheten einer „New Work“- und „Jeder hat ein Recht auf Home-Office“-Bewegung zu folgen. Ganz im Gegenteil. Wir müssen jetzt erstmal unsere Erfahrung aufarbeiten und dann unseren eigenen, individuellen Weg suchen, der wertvolle Elemente der „Vor-Corona“ Präsenz-Bürozeit mit unseren neuen Erfahrungen verbindet. Aus Unternehmens-, aber auch aus Mitarbeitersicht.
Ich wünsche uns allen, dass wir diese Krise meistern und unsere Wirtschaft und unsere Unternehmen mit nicht allzu großen Problemen und Kollateral-Schäden wieder zum Laufen bekommen, und wir alle unsere „Hühner“ wieder glücklich ins Hühnerhaus bringen. Alles Gute und bleiben Sie gesund!